Steve Jobs und der Beweis der Erleuchtung

06 Jun 2015. By Christian Grobmeier
Warum Steve Jobs kein Zen-Mönch wurde und warum Lisa schlussendlich der Beweis seiner Erleuchtung war.

Hintergrund zu dem folgenden Text

Als ich anfing, über Kôbun Otogawa Roshi zu recherchieren, trat ich mit seinem Schüler Vanja Palmers in Kontakt, der so nett war, mir eine Aufzeichnung zu geben. In dieser Aufzeichnung sprach Kôbun darüber, wie er Steve Jobs kennengelernt hatte.

Der folgende Text ist eine Niederschrift dieses Gesprächs. Ich habe versucht, es etwas lesbarer zu machen, da die ursprünglichen Wörter schwer zu verstehen waren. Ich habe aber sichergestellt, dass die Bedeutung und die Geschichte davon unberührt bleiben.

Anmerkung: Als Kôbun's Studenten dieses Gespräch aufnahmen, lebte Steve Jobs noch. Allerdings war Jobs' Vater nur wenige Tage zuvor verstorben. Ich nehme an, dass diese Aufnahme am 7. März 1993 gemacht wurde, zwei Tage nach Paul Jobs' Tod.

Kôbun Roshi trifft Steve Jobs

"Mein Freund, der von Paul adoptiert wurde, ist eine sehr seltsame Person. Als ich vor dreiundzwanzig Jahren in Kalifornien lebte, war meine Frau schwanger, und die Geburt stand unmittelbar bevor. Eines Tages gegen Mitternacht öffnete sie die Tür, nachdem es geklingelt hatte. Dann kam sie in mein Studienzimmer und sagte ich solle zur Tür kommen, und dass ich zu viele seltsame Leute kennen würde. Sie war sichtlich aufgebracht.

Da stand er, barfuß. Mit schmutzigen, nackten Füßen. Er hatte seine langen Haare nicht gekämmt. Seine Jeans waren... Sie hatten überall Löcher. Er war erst achtzehn. Er wollte mich sehen. Ich sah ihm in die Augen. Er sah furchtbar aus, aber nicht verrückt. Ich musste mit ihm sprechen.

Steve Jobs Erleuchtung

Ich holte meine Jacke und machte mit ihm einen nächtlichen Spaziergang in die Innenstadt. Alle Geschäfte waren geschlossen,aber eine Bar namens "Tea Cup" hatte geöffnet. Wir saßen am Tresen. Ich hatte einen Irish Coffee und er einen Saft. Er sagte: "Ich fühle mich erleuchtet und ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll."

Ich antwortete: "Das sind wunderbare Neuigkeiten! Aber ich brauche einen Beweis dafür. Komm bitte wieder sobald du einen Beweis für deine Erleuchtung hast." Er wurde still und konnte es nicht weiter erklären.

Eine Woche später kam er zurück. Er hielt eine kleine Metallplatte fest. Ich fragte: "Bist du nicht hungrig?" Er bejahte. Ich bat ihn hereinzukommen, aber meine Frau widersprach. "Nicht hier," sagte sie1.

  • 1: Kôbun ließ aus, wo sie angefangen hatten zu sprechen.

Lisa

Das war der Beweis. Dieses kleine Ding war der Beweis. Ich dachte es sei Schokolade. Aber es war ein Computer. Er sagte mir, dass ein Freund ihm geholfen habe, und dass der Computer "Lisa" heiße, was der Name seiner neugeborenen Tochter war.1

Das war der ursprüngliche Apple Computer, aber ich bin immer noch nicht ganz sicher ob dies der Beweis war oder nicht. Ich wette Sie nutzen einen Macintosh hierzulande.

Damals sagte Steve immer, dass er dorthin gehen wollte wo ich war. Er bat mich darum, ihn zum Mönch zu machen. Er bekniete mich, es zu tun. Aber ich sagte "Nein, ich will den Beweis." Er ist ein wirklich schlechter Schüler. Er möchte es tun, aber er zögert immer, einem Sesshin2 beizuwohnen.

Er ist brillant, aber zu smart, denke ich. Er kann nicht länger als eine Stunde stillsitzen! Eine Stunde und er ist fertig. Aber das ist in einem Sesshin nicht genug.

Lisa—das Mädchen, nicht der Computer—ist jetzt 13 oder 14 Jahre alt. Was mich glücklich macht ist, dass sie mich als Patenonkel betrachtet. Wann immer wir uns treffen, rennt sie auf mich zu und spricht Japanisch. Vielleicht ist das der Beweis für die Erleuchtung."

  • 1: Am Anfang erwähnte Kôbun, dass Jobs 18 war, als sie sich das erste Mal trafen. Aber Lisa wurde 1978 geboren, als Jobs 23 war. Der Apple II erschien 1977, ein Jahr bevor Lisa geboren wurde. Der Apple Lisa kam 1983 heraus. Die Biographie von Walter Isaacson erwähnte, dass sie sich 1974 trafen. Das würde bedeuten, dass beide sich schon kannten, als Jobs 19 war. Ich nehme an, Kôbun hörte den Namen "Lisa" zu einem späteren Zeitpunkt.
  • 2: Ein Sesshin ist eine mehrtägige Meditation mit strikten Regeln.

Weiterführende Literatur